Supermondnacht – Wenn sich Boote selbständig machen

Heute war ein langer Tag. Kaum aus dem Bett gefallen hab ich es mir erstmal im “Motorraum” bequem gemacht. Der gute alte hatte hin und wieder Fieberanfälle und es war Zeit der Sache auf den Grund gehen. Glücklicherweise kam mein neuer Nachbar Manfred, ein sehr erfahrener Segler vorbei und unterstützte mich beim diagnostizieren. Hier und da haben wir kleine Optimierungen vorgenommen. Am Ende des langen Arbeitstages musste wir leider einsehen, dass es keine einfache Lösung für das Problem gibt. Aber kein Drama, der Motor läuft trotzdem. Muss ihn halt schonend fahren und tiefer in der Trickkiste stöbern.

Um ca 19:30 hab ich dann entgültig den Schraubenschlüssel für den Tag weggelegt. Da bei dem ganzen geschraube und gefummel das Mittagessen unter den Tisch gefallen ist, war ich froh, dass ich mich zum Pizzaabend verabredet hatte und ich nur den Käse mitbringen musste. 5 Minuten mit dem dinghy zum Schiff meiner argentinischen Freude und während die Pizza präpariert wurde hatte ich Zeit den Tag Revue passieren zu lassen – wir haben den Seewasserfilter abgedichtet und ihn unter die Wasserlinie gehängt. Hab ich das Seeventil auch wirklich zu gemacht? Falls nicht, und das Abdichten auch schief gelaufen wäre, würde Wasser ins boot fließen. Aber kein Stress hab ich mir gedacht. Bis die Pizza verspeist und ich zurück am Boot bin, kann ja nicht viel passiert sein.

Dennoch hab ich es mir nicht zu gemütlich gemacht und hab gegen 22 Uhr die Heimreise angetreten. Da ich ja schon ne Weile in der Gegend bin, kenne ich jedes boot auf dem Ankerplatz. Das und das grelle Licht des Supermonds haben das Heimbrettern mit dem dinghy sehr einfach gemacht. Schon von weitem hab ich Manfreds boot gesehen. Aber irgendwie schien mir da eine große Lücke im Ankerfeld zu sein. Als ich auf Höhe von Manfreds boot war wurde mir plötzlich klar, dass da was nicht stimmt. Da wo ich eigentlich mein boot erwartet konnte ich nur eine freie Mooringboje erspähen. Und zwar Meine! Ohne groß zu überlegen bin ich weiter in Windrichtung gefahren, aber bevor ich den Gashahn voll aufreißen konnte, hatte ich sie schon erspäht. Mit einer Leine hinten an einem anderen Schiff befestigt. Das Seil mit dem Wu Wei an der mooring fest gemacht war, war gerissen. Nach einer Reise von etwa 100 Metern hatte sie dann bei unseren neuen argentinischen Nachbarn angeklopft, die sie dann freundlicher Weise an die Leine genommen haben. Es war das letzte boot im Ankerfeld. Ein paar hundert Meter weiter hätte die Welle vermutlich mein boot gnadenlos aufs Riff geschmettert.

Nachdem der erste Schock verflogen und wir dabei waren die Schiffe für die Nacht anständig zu vertauen, hat sich dann noch mein dinghy vom Acker gemacht und musste von den freundlichen Nachbarn wieder eingefangen werden. Hier aber ganz klar mein Fehler.. fest machen kann sowas angeblich verhindern!!! ?

Schiff klar, Crew klar!? Kuna-yala calling…

Ein letzter ruhiger morgen in Cartagena, das Fieber ist Weg und die Wassertanks gefüllt. Alles bereit für den Start und das Bauchgefühl gibt grünes Licht. Nach einem guten Mittagessen lichtete die Crew den vom Cartagena-Hafenschlamm überzogenen Anker und wir Motoren raus aus dem auch so dreckigen Hafen. Mal wieder blaues Wasser sehn tut gut!

Die Passage nach Kuna-Yala (aka San Blas) ist in dieser Jahreszeit für absolute Flaute bekannt. Davon war erstmal nichts zu spüren. Wir hatten angenehme 15 Knoten Wind und machten daraus 6 Knoten Fahrt gen Westen. Bevor die Sonne unterging verlor die Rollvorrichtung der Genua ihre Funktion. Einfach nur mit etwas epoxy kleben war wohl nicht meine beste Idee. Die stabile Wetterlage ließ es jedoch zu die Nacht mit ungereffter Genua weiterzusegeln.

Der Wind reichte am nächsten Tag noch bis in die Mittagsstunden bevor das Boot bei Flaute zum Spielball der Wellen wurde. Rollanlage notdürftig repariert, Genua eingerollt und durch Sturmfock ersetzt. Dann noch ein bisschen Unterstützung vom Motor und das Schaukeln war wieder einigermaßen im Griff, sowie das Schiff auf Kurs. Die starken Mägen der Crew ließen keine seekrankeit zu. Allerdings meldete sich mein Fieber nochmal zurück was beim Motorsegeln unter Sturmbesegelung kein großes Problem darstellte und auch die unerfahrensten crewmitglieder gut mit dem Schiff klargekommen sind.

In der zweiten Nacht zeigte sich die konservative Besegelung nochmals als gute Wahl. Ziemlich typisch tauchte wie aus dem nichts ein culo de pollo (Arschloch vom Hühnchen – kurzer kräftiger Gewittersturm) auf. Doch Matze trotzte Regen und Wind von hinten und brachte uns sogar zurück auf den ursprünglichen Kurs.

Am nächsten Morgen tauchte pünktlich zum Sonnenaufgang Land in Sicht auf. 20 seemeilen später liefen wir zur perfekten Zeit bei hoch stehender Sonne unseren ersten Ankerplatz im Paradis an.

Ach du schönes Cartagena, lass mich endlich weiter ziehen! Motorprobleme, Motorprobleme und Fieber. Verdammte kacke nochmal…

Das hier reperaturen etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen als im strukturierten Deutschland dürfte ja jedem bekannt sein. Herauszufinden, dass ein Fachmann (U-Boot Elektriker der kolumbianischen Marine) nicht unbedingt viel mehr versteht als ich musste ich mit etwas Leergeld bezahlen. Aber meine crew hat den Karren aus dem Dreck gezogen, ein paar Kabel gekürzt und Kontakte gereinigt während bei mir das Fieber eingesetzt hat. Jetzt heißt es schnell gesund werden und auf nach San Blas!